Top-Bildungen sind keine homogene Angelegenheit. Sie werden in der Regel
von einer Vielzahl an Divergenzen begleitet, ob zwischen Dow Industrial
und Dow Transport, zwischen Large Caps und Small Caps oder zwischen der
Advance-Decline-Linie und S&P500.
Eine besondere Art der Divergenz stellt diejenige zwischen DAX und Dow
Jones Index dar. Die grundsätzlich richtige Aussage, dass sich der
deutsche Markt kaum von den US-Indizes abkoppeln kann, wird immer dann für
eine Weile in Frage gestellt, wenn markante Top- oder
Bodenbildungsprozesse ablaufen.
Lassen Sie uns einige Beispiele ansehen. Die Jahre 2000 und 1998 werden
vielen noch in Erinnerung sein. Im Jahr 2000 toppte der Dow im Januar, der
DAX erst im März (grüner Kreis). Man beachte, dass der DAX – analog zum Nasdaq – zum damaligen Zeitpunkt eine wesentlich höhere Dynamik als der
Dow aufwies und deshalb den US-Index nicht nur preislich, sondern auch
zeitlich überschoss.

Das preisliche Überschießen des DAX war auch zwei Jahre zuvor (im Sommer
1998) zu erkennen. Während der Dow sein April-Hoch im Juli nur marginal
überwinden konnte, legte der DAX von April bis Juli 1998 um knapp 1000
Punkte zu und schlug sein April-Hoch um Längen (schwarzer Kreis).
Ein anderes Beispiel - diesmal aus den 80er Jahren - zeigt die ganze
„Krassheit“, mit der sich Divergenzen bilden können. Bekanntlich markierte
der Dow Jones Index im August 1987 ein Allzeithoch, dem der Oktober-Crash
folgte.

Auf dem obigen Chart ist gut zu erkennen, dass der DAX im Jahr 1987 kein
neues Allzeithoch markierte, sondern bereits 1 ½ Jahre zuvor (im April
1986) toppte.
Ein letztes Beispiel für die Divergenzen in der Top-Bildung zwischen DAX
und Dow führt in die Jahre 1966 bis 1974. Ende der 60er Jahre zeigte der
DAX gegenüber dem Dow deutliche relative Stärke (schwarzer Kreis nächster
Chart). Während der Dow bereits Ende 1968 toppte, konnte der DAX noch ein
Jahr später (November 1969) ein neues Allzeithoch markieren.

Vier Jahre später verlief die Divergenz genau anders herum: Der DAX
erreichte bereits im August 1972 ein Mehrjahreshoch, während der Dow erst
im Januar 1973 austoppte (grüner Kreis).
Fazit: DAX und Dow agieren bei einer Topbildung in der Regel nicht synchron –
das gilt übrigens auch für die Bodenbildung. Seit 1960 findet sich kaum
ein bedeutendes Top im Dow Jones Index, das zeitgleich auch ein
bedeutendes Top im DAX war. Ausnahmen – wie diejenige vom Juli 1998 -
bestätigen die Regel. Als Faustregel kann gelten: Je bedeutsamer das Topp,
desto größer die Divergenzen.
Es wird interessant zu beobachten sein, wie sich die - unserer Meinung
nach im Gang befindliche - Top-Bildung ausspielt und welche Divergenzen
sich zwischen DAX und Dow in diesem Sommer ausbilden werden. Das Mai-Top
war synchron. Gegenwärtig wirkt der DAX wie ein Turbo auf den Dow, sowohl
die Abwärts- als auch Aufwärtsbewegungen sind jeweils deutlich stärker.
Spätestens wenn sich zwischen den beiden Indizes deutlich sichtbare
Divergenzen ausbilden, gilt es die Augen für eine Vollendung der
Top-Bildung offen zu halten.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
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