Der Wellenreiter
                          Wirtschaftsthemen der Zeit

 

   

02. Februar 2008
Kaptialanlegertagung Zürich

Auch in diesem Jahr war Zürich eine Reise wert! Die 23. Kaptialanlegertagung wies zwölf hochkarätige Referenten auf. Die Veranstaltung fand am 22./23. Januar statt. Ob Zufall oder nicht, aber das waren die volatilen Tage, die das bisherige Aktienmarkttief im Jahr 2008 bedeuten. Die Tagesaktualität überholte teilweise die Vortragenden. Während man im Saal dank Blackberrys und Notebooks bereits wusste, dass Ben Bernanke die Zinsen um 75 Basispunkte gesenkt hatte, formulierte John Murphy von Stockcharts.com noch auf der Bühne, dass die US-Fed wohl nicht umhin kommen wird, den US-Leitzins im Laufe der Woche zu reduzieren.

Überhaupt war John Murphy für mich einer der interessanteren Redner, weil er als Vater der Intermarket-Analyse gilt, der wir bekanntlich eine hohe Beachtung zumessen. Seine Weisheiten, dass alle Märkte miteinander verbunden sind, dass ein fallender US-Dollar bullisch für Rohstoffe ist oder das die Aktienmärkte den Rohstoffmärkten vorauslaufen, gehören in der Branche mittlerweile zum Allgemeingut. Murphy geht von einer vergleichsweise guten zweiten Jahreshälfte 2008 an den Börsen aus. Er sieht Gold weiterhin im Vorteil und machte dies anhand der Gold/S&P 500-Ratio fest. Diese hat im Jahr 2003 ihren seit 1980 bestehenden Abwärtstrend gebrochen. Murphy sieht insgesamt steigende Rohstoffe sowie leicht steigende Anleihen. Defensive Aktien (Versorger, Gesundheit, nicht-zyklische Konsumgüter) sollten ok sein. Insgesamt sieht er den US-Aktienmarkt in einem Bärenmarkt; auch weltweit sollten die Aktienmärkte Schwäche zeigen.

Nach dem Sektorrotationsmodell beginnt der wirtschaftliche Abschwung dann, wenn die Basisindustrie-Aktien (Kupfer, Aluminium) sowie die Energieaktien zu fallen beginnen. Der Aufschwung sollte mit den Finanzwerten beginnen. Murphy glaubt, dass im Fall eines weltweiten Wirtschaftlichen Abschwungs Liquidität in den USA fließen wird, weil dann Geld aus den Emerging Markets abgezogen wird und zuhause (in den USA) angelegt wird. Emerging Markets Märkte sind historisch betrachtet in einer Krise schneller gefallen als die US-Märkte. Das dürfte den US-Dollar unterstützen.

Die Personen wechseln, die Botschaft nicht: Jedes Jahr trägt ein anderer deutschstämmiger, in Japan wohnender Experte vor, wie sehr die japanische Wirtschaft ihren Gesundungsprozess abgeschlossen hat und wie stark die Signale für eine neuerliche Hausse in Japan sind. In diesem Jahr war Jepser Koll auf der Bühne, der bis Mitte 2007 Chefökonom von Merrill Lynch Japan gewesen ist. Koll ist ein „Bühnenkünstler“, der es versteht, die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Er erzählte von steigenden Ausgaben für Forschung und Entwicklung des japanischen privaten und öffentlichen Sektors und stellte eine Untersuchung vor, wonach japanische Produkte als besonders „cool“ angesehen werden. Noch mehr als diese Botschaften regten jedoch die folgenden beiden Aussagen zum Nachdenken an:

Erstens: Koll meint, dass es nicht zu nennenswerten Zinsanhebungen in Japan kommen dürfte. Bereits jetzt werden 26 Prozent des japanischen Haushalts für Zinsleistungen verwendet. Bereits ein geringer Zinsanstieg würde diesen Anteil deutlich erhöhen und andere notwendige Ausgabeposten zurückdrängen. Zweitens: Sollte es in China irgendwann zu einer deutlichen Verlangsamung des Wirtschaftswachstums kommen, würden nicht etwa Arbeiter auf die Straße gesetzt oder Fabriken dicht gemacht. Das kommunistische China würde weiter produzieren, was das Zeug hält und sowie die Welt mit einer Deflationswelle „überschwemmen“.

Achim Matzke, Leiter Global Technical & Index Research der Commerzbank, sprach von einer Wende in Richtung Blue Chips. Er sieht die Marktkapitalisierung in Europa bereits über derjenigen der USA liegen. Den US-Dollar sieht er in seinem langfristigen Abwärtstrend verbleiben.

Es passte auf den Punkt. Just Stunden, nachdem die FED den Leitzins überraschend von 4,25 auf 3,5 Prozent gesenkt hatte, sprach das ehemalige Mitglied des Direktoriums der EZB,  Prof. Dr. Ottmar Issing recht locker zum Publikum. Er sah diese Zinssenkung mit einem Stirnrunzeln und verwies auf die konstante Politik der EZB, die sich nicht von Aktienmärkten, sondern von volkswirtschaftlichen Schwankungen leiten ließe. Seiner Meinung nach kämen Konjunkturprogramme meist zu spät und wirkten dann prozyklisch. Er setze mehr auf die „automatischen Stabilisatoren“, die in einem Abschwung greifen. Das sind zum Beispiel Mehrausgaben der Arbeitslosenversicherung. Langfristig wirken Geldmengenausweitungen in dem Maße, wie sie gegenwärtig erfolgen, inflationär. Eine Bemerkung machte Issing noch zur Politik. Er sagte, dass Politiker oft die Erfahrung machen, dass Ehrlichkeit in der Politik kaum belohnt wird. Sobald jemand sagt, dass gespart werden muss, kommt ein anderer, der den Menschen Mehrausgaben verspricht und damit Wahlen gewinnt. So setzt sich ein Kreislauf in Gang, der inflationär wirkt.

Philipp Vorndran, Investmentstratege der Credit Suisse, sieht Industriemetalle real bereits auf ambitioniertem Niveau. Gold kann dagegen noch steigen. Agrarrohstoffe sieht Vorndran weiter im Aufwärtstrend. Bei einer Weltbevölkerung, die von aktuell 6,6 auf 9 Mrd. im Jahr 2050 steigen dürfte, sind Zuwächse bei den Agrarprodukten und den Viehzüchtern sowie im Nahrungsmittelbereich unausweichlich. Hersteller von Agrarmaschinen, Düngemittel und Saatgut sind Aktienmarktideen. Die Bodenpreise für Agrarland sollte weiterhin ansteigen.

Staatsfonds sind die Liquiditätsquelle der Zukunft. Sie subventionieren die Anleihen-Märkte. Die US-Zinsen würden um 130 Basispunkte anziehen, falls sich die Staatsfonds aus den US-Anleihemärkten verabschieden sollten. Citibank und UBS stellen Beispiele für die Umschichtung von Kapital der Staatsfonds in Aktienmärkte dar. Der Inflationsdruck ist weiterhin hoch. Vorndran geht davon aus, dass in Deutschland aufgrund der Abgeltungssteuer die Small- und Midcap-Aktien profitieren werden, da dort das ausländische Geld traditionell weniger investiert ist. Die Marketingschlacht um die Abgeltungssteuer wird zunehmen.

Bei den Emerging Markets sieht Vorndran Indien gegenüber China im Vorteil. „In Indien wird investiert, in China wird gezockt“. Russland, Rubel und russische Bonds seien ok, ebenso der brasilianische Markt. Im ersten Quartal 2008 dürfte sich bei den Aktien eine Bodenbildungphase ergeben. Ende 2008 dürften die Gewinne unverändert sein. Das KGV dürfte sich marginal ausweiten. Die Abschreibungen wurden größtenteils bereits im Jahr 2007 eingepreist. Die Kapazitätsauslastung ist in den USA stabil.

Großbritannien sollte die negative ökonomische Überraschung des Jahres werden. Darunter dürfte das britische Pfund leiden. Grundsätzlich setzt Vorndran auf „Carry long Schwellenländer“ und „Carry short Industrieländer“, also ein sich ausweitenden Zinsdifferenz zwischen Schwellen- (hohe Zinsen) und Industrieländern (niedrige Zinsen).

Eugen Keller und Mario Mattera vom Bankhaus Metzler sehen Gold in diesem Jahr die 1.000-Dollar-Marke nehmen. Der Inflationsdruck sollte insgesamt bestehen bleiben. Die Kreditkrise verliere zunächst ihren Schrecken, man sollte die Talfahrt der Aktien als Chance begreifen. Nach der monatlichen Merrill Lnych-Fondsmanager-Umfrage „ersticken“ die Fonds in Cash. Das Kapital dürfte in die Aktienmärkte zurückfliessen. Das „Deleveraging“ (Zurückfahren des Kredithebels) dürfte gerade bei den Brokerhäusern weiter gehen. Die Lagerbestände für Mais, Sojabohnen und Weizen befinden sich auf 30-Jahres-Tiefs. Die Hausse im Agrarsektor sollte weiterlaufen. Eine Idee ist der Kauf der norwegischen Krone, die sich zu einer Hochzinswährung entwickelt. Verkaufen würden sie den kanadischen Dollar. Im Gesamttenor bleiben Keller und Mattera bullisch für die Rohstoffe. Eine US-Rezession sehen sie nicht notwendigerweise.

Felix Zulauf, Präsident Zulauf Asset Management, sieht im aktuellen Trend zu fallenden Zinsen die Schlussphase des langjährigen Abwärtstrends. Die Rohstoffe befänden sich weiterhin in einem langen Aufwärtszyklus. Die US-Hauspreise dürften noch weitere 15 bis 20 Prozent fallen. Die allerbesten Lagen wechseln 10% unter Höchstkurs. In den USA, Spanien und England dürften in den kommenden fünf bis zehn Jahren steigenden Sparraten verzeichnet werden. Die Bilanzreparaturen in den USA dürften noch fünf Jahre andauern. Zulauf rechnet in den USA nicht mit einer U-förmigen Erholung, sondern mit einem L-förmigen Konjunkturverlauf – ähnlich wie in Japan nach 1990. Die Konsum-Nachfrage aus den USA könnte von 800 Mrd. US-Dollar auf 500 Mrd. zurückgehen. Der US-Leitzins dürfte auf zwei oder sogar null Prozent fallen. Die Zinsen für 10jährige US-Anleihen gingen auf 3 bis 2,5 Prozent. Problematisch wäre die US-Autokredite und die Konsumkredite. Die „Credit Default Swaps“ (Versicherungsprämie gegen Pleite von Unternehmen) schössen nach oben. Kredite werden wegen der Verschärfung der Kreditbedingungen teurer werden.

Der Euro ist laut Zulauf vollkommen überbewertet. Yen/Dollar sollte steigen, ebenso Yen/Euro. Das britische Pfund sollte gravierend verlieren. In Ungarn sein 90% der Hausbaukredite in Schweizer Franken ausgestellt. Im Ölpreis sei der große Schub vorbei. Ein Rücksetzer auf 70 US-Dollar ist wahrscheinlich. Der CRB-Index sollte Wasser treten. Weizen sei überhitzt und der Schub in den Agarrohstoffen sei vorerst vorbei. Für Baumwolle und Zucker könnte er sich noch erwärmen. Gold besitzt weiterhin ein gutes Umfeld. Die Produktion nimmt ab. Gold sollte man bei 800 bis 850 Dollar blind kaufen. Er würde jetzt nur noch in zwei bis dreijährige Staatsanleihen und in Gold investieren.

Einige Referenten habe ich nicht genannt. Das liegt einfach daran, dass ich nicht bei allen Vorträgen anwesend sein konnte, da diese teilweise parallel stattfanden.

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest

P.S. Unser traditioneller Jahresausblick auf Aktien, Anleihen, Rohstoff- und Währungsmärkte ist erschienen. Der Ausblick umfasst 149 Abbildungen auf über 100 Seiten. Näheres unter http://www.wellenreiter-invest.de/ausblick2008.html

P.S. Ein kostenloses 14tägiges Schnupperabonnement erhalten Sie unter www.wellenreiter-invest.de
 

Kostenloses Abonnement des Wochenend-Wellenreiters: Bitte hier klicken, E-Mail-Adresse eintragen und absenden.

Alle Wochenend-Wellenreiter seit dem Jahr 2003 sind im Archiv verfügbar.


 

 

 



Robert Rethfeld
 

 

 

Impressum/
Datenschutz/
rechtl. Hinweise/
Haftung/
Disclaimer