Der Wellenreiter
                          Wirtschaftsthemen der Zeit

 

 

 Startseite

 Aboservice

 CoT-Daten

 Publikationen

 Profil

 Kontakt

 Klicktips

 Hilfe/Fragen

 

Impressum/
Datenschutz/
rechtl. Hinweise/
Haftung/
Disclaimer

 

 

Wellenreiter-Kolumne vom 29. Januar 2011
Preiskontrollen und Wachstumsbremsen

Der Einkauf von Lebensmitteln kann eine reizvolle, mit Gehirnjogging verbundene Aufgabe sein. Nämlich dann, wenn man  es schafft, sich die Preisauszeichnung eines Produktes am Regal zu merken und diese an der Kasse mit dem digital angezeigten Preis zu vergleichen.

Jemand in unserem Bekanntenkreis, die diese Übung seit Jahren durchführt, erzählte uns neulich, dass bei nahezu jedem zweiten Einkauf ein Produkt im Einkaufswagen liegt, dessen Preis an der Kasse höher ist als der im Regal ausgezeichnete Preis. Die Differenz beträgt meist zwischen 50 Cent und ein Euro, manchmal auch mehr. Den wenigsten Kunden fallen solche Differenzen auf, und nur die wenigsten Kunden holen sich ihr Geld zurück. Oder vielleicht fällt es auf, aber der Kassenschlangendruck ist zu groß, man will ja niemanden aufhalten. Würde man annehmen, dass pro Kunde pro Einkauf 50 Cent zuviel kassiert wird, dass 2.000 Kunden pro Tag einen Supermarkt besuchen und dass dieser 310 Tage im Jahr geöffnet hat, so ergäbe sich ein Zusatzumsatz von etwa 310.000 Euro pro Jahr.

In Deutschland existiert keine Organisation, die solchen Praktiken auf den Grund geht. Anscheinend sind Schmerzgrenzen bisher nicht erreicht worden. In China hingegen schon. Dort musste in diesen Tagen die Supermarktkette Carrefour Abbitte leisten. Sie entschuldigte sich offiziell für ihre falschen Preisauszeichnungen. Eine Regierungsbehörde verdonnerte die lokale Gewerbeaufsicht dazu, die betroffenen Carrefour-Supermärkte mit einem Bußgeld bis zu 500.000 Yuan (etwa 70.000 Euro) zu belegen. Bei Prüfkäufen von 30 bis 40 ausgewählten Lebensmitteln war aufgefallen, dass bei durchschnittlich 3 bis 4 Lebensmitteln der Kassenpreis höher war als der Regalpreis.

Warum werden in China derartige Kontrollen durchgeführt? Bestimmt nicht aus Gründen des Verbraucherschutzes. Es geht darum  – so bestätigen es die Behörden -, die galoppierende Nahrungsmittelinflation zu bekämpfen.

Die Themenbereiche „Inflation“ und „China“ wurden auch auf der Kapitalanlegertagung in Zürich heftig diskutiert. Meinem Geschäftspartner Alexander Hirsekorn und mir fiel die intensive Beschäftigung vieler Redner mit dem asiatischen Raum auf. Niemand stellte in Abrede, dass das asiatische Geschäftsmodell auf Sicht der kommenden 10 bis 20 Jahre in Ordnung ist. Dazu sind die demographischen und wirtschaftsdynamischen Faktoren zu positiv. Kurzfristig dürften jedoch Hindernisse auftauchen, die sich in gebremsten Wachstumsraten äußern.

Der französische Fonds Manager Louis-Vincent Gave beschrieb die aktuelle Situation: Die meisten chinesischen Unternehmen sind sehr jung (jünger als zehn Jahre), der CEO sei der „Kaiser“. Die Durchschaubarkeit („Visibility“) der Unternehmen sei – anders als in Europa oder den USA – gering. Daraus ergäbe sich ein höheres Investmentrisiko. Gave geht davon aus, dass sich China in den kommenden sechs bis neun Monaten in der Phase der Inflationsbekämpfung befinden wird. Inflationsbekämpfung ginge vor Wachstum, was bedeutet, dass zwischenzeitlich Wachstumsraten von acht Prozent oder darunter durchaus willkommen sind. Die politische Führung positioniert momentan Stabilität vor Wachstum. Der Renminbi dürfte weiter aufwerten, so Gave. Geopolitisch verweist Gave auf den Umstand, dass 80% der importierten Energie durch die Straße von Malakka nach China transportiert wird. China hat ein hohes Interesse an einer Kontrolle dieser Meerenge. Malaysia, Singapur und Indonesien sind die Anrainerstaaten. Überhaupt war man sich auf der Tagung einig, dass China versuchen wird, die eigene militärische Einflusszone auszuweiten. Dies wiederum würde bedeuten, dass die USA über kurz oder lang gezwungen seien, ihre militärischen Aktivitäten im südchinesischen Meer zurückzufahren.

Der Schweizer Fonds-Manager Felix Zulauf befand, dass das chinesische Wirtschaftswachstum nicht nur natürlichen Ursprungs ist. In Reaktion auf den Crash in 2008 fuhr China ein weitaus größeres Konjunkturprogramm als die USA. Um ein Renminbi Wachstum zu erzeugen, brauche es vier Renminbi Schulden. Zulauf sieht China in den kommenden 12 bis 18 Monaten auf der Bremse stehen. Das Wirtschaftswachstum dürfte – von aktuell 10 Prozent - in den Bereich von 6 bis 7 Prozent fallen. Der Renminbi dürfte um 15 bis 20 Prozent aufwerten.

Ein Blick in die USA. Aufgrund der politischen Situation in den USA sieht Zulauf das Thema Konjunkturhilfen durch den amerikanischen Kongress vorerst als beendet an. Schulen in New Jersey würden teilweise nur vier Tage unterrichten, weil kein Geld für die Lehrer da sei. Unter diesen Umständen bliebe nur noch die FED als Konjunktur-Promotor. Und deshalb könne das Quantitative Easing nicht zurückgefahren werden. Die monetäre Basis dürfte weiter nach oben gefahren werden (von jetzt 2,5 Billionen auf 10 Billionen Dollar oder höher). Zulauf sieht – anders als die Mehrheit der Vortragenden – keinen direkten Übergang von QE II zu QE III. Die Fed dürfte pausieren, allein schon, weil die Inflation bis dahin auch in den USA einen Abdruck hinterlassen dürfte. Die US-Konjunktur dürfte nochmals in Stottern geraten, eine US-Rezession sieht Zulauf für 2011 oder 2012 allerdings nicht.

Der US-Ökonom Gary Shilling bewegte sich in seinem Vortrag auf der Deflationsschiene. Der Schuldenabbau („Deleveraging“) wird sich noch viele Jahre fortsetzen, so Shilling. Er rechnet mit fallenden Rohstoffpreisen und mit einer anhaltend hohen Arbeitslosenquote in den USA. Allein die Erhöhung der US-Sparquote würde 1,5 Prozent vom US-Wirtschaftswachstum „abknabbern“. Die US-Gesellschaft wird älter, und die „Baby Boomer“ beginnen zu sparen. Der Abbau des Überschussbestandes an US-Immobilien würde noch zwei bis drei Jahre dauern, so lange seien Preisanstiege nicht wahrscheinlich.

Shilling geht von einer harten Landung in China aus. Dies läge auch daran, dass die Sparquote in China knapp 30 Prozent betrüge. Eine harte Landung bedeute für China ein Wirtschaftswachstum von 6 Prozent.

Philipp Vorndran (Flossbach & von Storch) setzt zur Entschuldung auf das Modell einer „Inflationspyramide“. Darunter versteht er ein gezieltes Herbeiführen eines kurzfristigen, sprunghaften und überraschenden Anstiegs des Preisniveaus durch die Regierung. Die Inflation könnte in diesem Modell kurzzeitig auf 80 Prozent ansteigen. Der Staat wurde so die Hälfte seiner Staatsschulden vernichten können, allerdings würde auch die Bevölkerung wesentliche Vermögensanteile verlieren. In den 1940er Jahren funktionierte ein ähnliches Modell in den USA, als die Inflationsrate – bei gedeckelten Zinsen – sprunghaft anstieg. Das Modell wird von Vorndran als „idealtypisch“ bezeichnet. Realistischerweise kann man nicht davon ausgehen, dass europäische Regierungen bewusst ein solches Modell fahren (es sei denn, der Leidens- und Problemlösungsdruck nimmt überwältigende Formen an). Eine zunehmende Angst der Menschen vor dem Papiergeld könnte laut Vorndran ein Auslöser sein. Laut Vorndran ist Gold das „finale Geld“.

Eugen Keller und Mario Mattera vom Bankhaus Metzler berichteten, dass Versicherer ihr Kaptial zunehmend in PIIGS-Staaten anlegen, um Rendite zu generieren. Im Bezug auf die Währungen sehen beide die Entwicklung des britischen Pfundes negativ. Die Sparmaßnahmen der britischen Regierung und die vergleichsweise hohe Inflationsrate ließen diesen Schluss zu. Als Lösungsweg für die Euroland-Krise sehen sie Bailout plus Umschuldungen in vertretbarem Maße. Die Zinsen am kurzen Ende dürften steigen. Euro/Dollar könnte Richtung 1,40 anziehen, vielleicht auch 1,50. Generell sollte der US-Dollar aber stabil bleiben.

Michael Riesner (Leiter technische Analyse UBS) sieht an den Aktienmärkten einen Rücklauf im S&P 500 auf 1.220 Punkte. Anschließend sollte der Index bis März/April in den Bereich von 1.350 Punkten steigen. Dort würde sich das Top für das Jahr 2011 befinden. Die Rohstoffe sollten überschießen und gegenüber den Aktienmärkten relative Stärke zeigen. Euro/Dollar sollte erst Stärke zeigen, im Verlaufe des Jahres aber zur Schwäche neigen.

Fazit: Die Mehrheit der Vortragenden der Kapitalanlegertagung in Zürich sieht die in Asien grassierende Inflation als einen Auslöser für spätere wirtschaftliche Schwäche, die nicht notwendigerweise in eine Rezession führen muss. Aber eine Abkühlung wäre vielen asiatischen Regierungen recht. Für Europa wird ein Aufbrechen des Euro nahezu ausgeschlossen, allerdings müssen Umschuldungen und Inflation mithelfen, eine Entschuldung der öffentlichen Hand voranzutreiben. Letztendlich lebt eine Währung vom Vertrauen in das Papiergeld. Sollte dieses Vertrauen schwinden, würden sich verstärkte inflationäre Szenarien ergeben.

Verfolgen Sie die Entwicklung der Finanzmärkte in unserer handelstäglichen Frühausgabe.

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest

P.S. Ein kostenloses 14tägiges Schnupperabonnement erhalten Sie unter www.wellenreiter-invest.de

 

Kostenloses Abonnement des Wochenend-Wellenreiters: Bitte hier klicken, E-Mail-Adresse eintragen und absenden.

Alle Wochenend-Wellenreiter seit dem Jahr 2003 sind im Archiv verfügbar.


 

 

 



Robert Rethfeld
 

 

 

Impressum/
Datenschutz/
rechtl. Hinweise/
Haftung/
Disclaimer