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Martin Armstrong: Alles auf rot

Wellenreiter-Kolumne vom 03. Mai 2015

Was für ein Hype: Drei Millionen Amerikaner waren bereit, jeweils 100 US-Dollar zu bezahlen. Und das nur, um einen Boxkampf (Mayweather gegen Pacquiao in Las Vegas) im Fernsehen verfolgen zu können. Der Pay-per-View-Umsatz betrug 300 Millionen US-Dollar. Etwa 60 Prozent dieser Summe fließt in die Taschen der Boxer und ihrer Entourage. Ticketverkäufe, Merchandising und das internationale Geschäft könnten den Gesamtumsatz in die Nähe der 500 Millionen US-Dollar-Marke gerückt haben.

 

Zum Vergleich: In der Saison 2013/14 betrug der Jahresumsatz des FC Bayern München 528 Millionen Euro.

 

Auf einer anderen Bühne spielt der US-Investor Martin Armstrong. Aber auch er weiß, wie man Aufmerksamkeit erzeugt. Seine Crash-Prognose mit Datum 17. Oktober 2015 sorgt für Wirbel. Mit einem Interview in der Wirtschaftswoche und einer Titelstory im Smart Investor brachte sich Armstrong in Erinnerung. Sein Film „The Forecaster“ läuft ab dem 7. Mai 2015 im Frankfurter Harmonie-Kino. Am 9. Mai gibts eine Sondervorstellung in Anwesenheit des Protagonisten.

 

Martin Armstrong hat eine Mission. Er scheint zutiefst von seiner Prognose überzeugt. Mit seinem Institut PEI plant er zwei Veranstaltungen, die er „World Economic Conference 2015“ nennt. Eine am 7./8. November 2015 in Princeton, New Jersey (Sitz des PEI), die andere am 28./29. November 2015 in Berlin. Der Eintrittspreis von 2.500 US-Dollar liegt im üblichen Rahmen großer Finanzmarktkonferenzen. Es ist ein Hopp-oder-Top-Spiel: Kommt der Oktober-Crash, dürften die Konferenzen ausverkauft sein. Armstrong, der lange im Gefängnis saß, dürfte sich in diesem Fall als rehabilitiert ansehen. Käme der Crash nicht, müsste Armstrong auf die nächste Gelegenheit warten.

 

Das Thema der Konferenzen lautet: „Was müssen wir tun, um das kommende Zeitalter des „wirtschaftlichen Totalitarismus“ zu überleben. Totalitäre Staaten: Da denkt man an das dritte Reich oder an Nordkorea.  Armstrong widmete sich von Beginn an den Vertrauenszyklen in die Privatwirtschaft und in den Staat. Er ist der Meinung – und das sicherlich nicht zu Unrecht -, dass mache Börsenzyklen vom Vertrauen in die Selbstheilungskräfte der Privatwirtschaft geprägt sind, während in anderen Zyklen der Staat als „Retter“ wahrgenommen wird. Mit seinem Credo vom „wirtschaftlichen Totalitarismus“ dürfte Armstrong die wirtschaftliche Entrechtung des Bürgers (Stichwort Negativzinsen) anprangern.

 

So interessant Martin Armstrongs politische Ansichten auch sind: Sein Zyklenmodell ist der Motor seines Daseins. Armstrong entwickelte es in jungen Jahren. Die Zahl Pi (3,14…) mal 1.000 geteilt durch 365 ergibt einen Zyklus von 8,6 Jahren. Dieser unterteilt sich in Subzyklen von 2,10 und 1,05 Jahren.

 

Erste Unterlagen liegen uns aus dem Jahr 1979 vor (Armstrong war damals 30 Jahre alt). Ohne diese zeigen zu können („reproduction prohibited“; nachfolgend stellen wir einen Chart von 1997 dar), ist zu konstatieren, dass er Ende des Jahres 1979 mit Hilfe seines „Economic Confidence Modells“ (ECM) ein Hoch für den 19. Oktober 1987 ausrief. Tatsächlich war der Dow bereits Ende August oben; der 19. Oktober bedeutete das Crash-Tief.
 

Chart: Martin Armstrong

Armstrong war so klug, während des laufenden Crashes das Datum 19. Oktober 1987 zu invertieren und es als Tief auszurufen. Als es so eintrat, kletterte Armstrong auf der Berühmtheitsleiter nach oben. Ein korrekter „Call“ des Nikkei-Hochs für Ende 1989, der Ausruf des Aktienmarkt-Bodens im April 1994 und die Vorhersage der Asienkrise 1997 ließen Armstrong in den 1990er Jahren zu einem gefragten wirtschaftspolitischen Berater werden.

 

Wir blicken noch immer auf das Modell aus dem Jahr 1979. Das wichtige Aktienmarkthoch am 17. Juli 1998 (Volltreffer auf den Tag genau) ist dort genauso verzeichnet wie ein Tief am 7. November 2002. Tatsächlich wurde das US-Bärenmarkttief am 9. Oktober 2002 notiert, also etwa einen Monat früher. Für den 13. September 2000 sah das Modell ein Hoch vor. Tatsächlich wurde das lange Jahre gültige Hoch des S&P 500 fünf Handelstage früher – am 6. September 2000 – registriert.

 

Zum ersten Mal „live“ erfuhren wir die Wirkung des Armstrong-Modells Anfang des Jahres 2007. Armstrongs Modell hatte für den 26. Februar 2007 ein wichtiges Hoch vorausgesagt. Am 27. Februar schien die Hölle über die Märkte auszubrechen. Der Dow verlor 416 Punkte bei einem Abwärtsvolumen von 99 Prozent und einer Put-Call-Ratio von 1,70. So extrem waren diese Werte, dass sie bis heute nicht übertroffen wurden.

 

Tatsächlich markierte der Dow Jones Index Hoch am 20. Februar 2007 ein Zwischenhoch.

Das finale Hoch der Aufwärtsbewegung erreichte der Dow erst ein halbes Jahr später, nämlich am 9. Oktober 2007. Eine Punktlandung schaffte Armstrong im Jahr 2007 zwar nicht. Jedoch: Der Februar-2007-Einschlag war ein Vorbote dessen, was kommen sollte.

 

Am 8. März 2007 ließen wir uns das Economic Confidence Modell Martin Armstrongs von einem Kenner der Szene im Rahmen unseres Taunustreffs ausführlich erläutern.

 

Wir betrachten noch immer das Modell aus dem Jahr 1979, schauen aber in die laufende Dekade. Am 13. Juni 2011 sollte ein wichtiger Boden generiert werden. Tatsächlich bedeutete der 15. Juni 2011 ein Zwischentief im Dow Jones Index. Es war das letzte Tief vor dem Crash des Juli/August 2011. Auch hier lässt sich – wie im Jahr 2007 - das Armstrong-Datum als Vorwarnung für die eigentliche Entladung bezeichnen.

 

Bevor wir in die Zukunft blicken, lassen Sie uns für die Vergangenheit ein Fazit ziehen. Martin Armstrong hat sein Modell seit 1979 nicht mehr verändert. Er war geschickt genug, seine Modelldaten nicht stoisch zu interpretieren, sondern sie notfalls – wie 1987 – auch zu invertieren. Armstrong hat sich mit Haut und Haaren an sein Modell gebunden.

 

Ein offenes zyklisches Modell, das stets richtig liegt, kann nicht existieren. Sonst würden die Marktteilnehmer beginnen, sich im Vorfeld wichtiger Daten zu positionieren. Dies wiederum würde das Modell negieren. Wir finden seine Daten zum größten Teil interessant. Es beeindruckt, dass Armstrong seine Linie seit fast 40 Jahren durchhält. Man merkt, wie er als kritischer Geist seine Überzeugungen um dieses Modell herum entwickelt. Das Modell verlangt nach Erklärungen, die nicht immer ganz einfach herbeizuholen sind.

 

In jungen Jahren – etwa von 18 bis 28 – ist die geistige Kreativität, gepaart mit einem Umbruchwillen und dem Willen zum In-Frage-Stellen etablierter Prozesse, sehr hoch. Nobelpreisträger machen ihre wichtigen Entdeckungen in diesem Alter. Der Preis wird verliehen, wenn sie alt sind (meistens). In der Zeit dazwischen sind sie angesehene Forscher, kommen aber nicht mehr an die Leistung aus jungen Jahren heran.

 

Damit wollen wir ausdrücken, dass Martin Armstrong mit seinem in den 1970er Jahren entwickelten Modell frühe Erfolge feierte. Es soll vorkommen, dass frühe Erfolge eine Hybris auslösen.

 

In seinem Kampf gegen die Politiker und Banker, die ihn fallen gelassen haben, verbindet er sein Modell mit Negativereignissen, deren Eintritt er sich möglicherweise wünscht. Revanchegefühle? Wir wissen es nicht. Wir wollen uns mit diesbezüglichen Interpretationen nicht weiter beschäftigen und lieber einen Blick in die Modell-Zukunft werfen.

 

2015,75. Das ist Armstrongs nächster Hochpunkt. Gemeint ist der 1. Oktober 2015. Genau 8,6 Jahre liegen zwischen dem 23. Februar 2007 und dem 1. Oktober 2015, einem Donnerstag.

 

Warum Martin Armstrong einen Crash auf den 17. Oktober 2015 legt, entzieht sich unserer Kenntnis. Ein Grund könnte sein, dass der Dow Jones Index im Juli/August 2011 um 2.000 Punkte innerhalb von elf Handelstagen fiel, bevor er seinen Boden fand. Elf Handelstage nach dem 1. Oktober 2015 bedeuten den 17. Oktober 2015. Nach Armstrongs Lesart würde der Dow Jones Index bis zum 1. Oktober 2015 steigen, bevor ein rapider, elf Tage andauernder Verfall einsetzen würde.

 

Unglücklicherweise ist der von Armstrong ausgerufene Crash-Tag ein Samstag. Ein Crash endet häufig an einem Montag oder Dienstag (wie 1929, 1987 und auch 2011), so dass der 19. oder 20. Oktober als Crash-Tief in Frage kommen würden.

 

Als jemand, der mit zyklischen Modellen sympathisiert, finde ich es schwierig, sich dem Bann des Armstrong-Modells komplett zu entziehen. Schon in unserer Kolumne zum Sabbatjahr – verfasst am 28. Dezember 2014 – haben wir unsere Affinität für einen Herbst geäußert, der vergleichsweise holprig verlaufen könnte. In unserem Jahresausblick für 2015 beschreiben wir für das erste Halbjahr einen positiven Verlauf des Dow Jones Index, für das zweite Halbjahr sehen wir eher schwächere Aktienmärkte.

 

Wir werden genau hinschauen, ob sich um den 1. Oktober ein oberes Marktextrem ergibt. Lägen massive Divergenzen, ein sekundäres Hoch, eine Schwäche in der AD-Linie und möglicherweise ein Hindenburg-Omen vor, dürfte es nicht schaden, den Knopf für das Vorwarnsignal zu drücken.

 

Armstrong weiß: Ein Crash bedeutet ein Jackpot für einen „Forecaster“. Doch wichtiger dürfte ihm die Wiederherstellung seiner Reputation sein. Deshalb zockt Armstrong. Er setzt alles auf rot. Würde schwarz gewinnen, müsste er die nächste Chance suchen. Las Vegas – siehe oben – lässt grüßen.

 

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest

P.S. In Reaktion auf diese Kolumne erhielt ich die folgende Mail: "Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin der Regisseur des Film THE FORECASTER (Martin Armstrong). Der 17. Oktober ist ein Druckfehler des WiWo-Magazins, der sich durch die Nachrichten zieht. Gemeint ist der 1. Oktober. Beste Grüße Marcus Vetter".

Der 1. Oktober soll laut Modell ein zyklisches Hoch darstellen. Top-Bildungen benötigen Zeit zur Vollendung. Ein Crash nimmt erst dann Fahrt auf, wenn wichtige Unterstützungen oder gleitende Durchschnitte gebrochen werden. Ein Crash direkt vom Hoch aus erscheint doch eher unwahrscheinlich.

 


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