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Stopp Loss in den Bergen

Wellenreiter-Kolumne vom 09. August 2016

Der Hohe Riffler (3.231m) in den Zillertaler Alpen war mein erster Dreitausender. 1.500 Höhenmeter waren zu bewältigen. Los ging es um 6:00h morgens, den Gipfel erreichten wir bei schönem Wetter gegen 11:00h. Nach einer auf den letzten 500 Höhenmetern weglosen Kletterei über einen aus Blockwerk bestehenden Grat belohnte uns der Gipfel mit einem herrlichen Ausblick auf unseren Startpunkt Schlegeisspeicher und die umliegenden Gletscher. Wir waren stolz, es geschafft zu haben.

 


Blick zum Schlegeisspeicher

 

Da liegt er also vor Dir, dieser weglose Aufwärtsabschnitt. Welcher Weg ist der kürzeste, welcher der sicherste? In diesem Fall helfen auf die auf Felsen gepinselte, rot-weiß-roten Markierungen der Wegwarte. Nicht immer ist die Strecke klar. Man tastet, prüft mit Händen und Füßen, klettert auf den nächsten Stein, schaut konzentriert, wo die anderen laufen, findet manchmal einen leichtgängigeren Pfad. Es ist kein Laufen, es ist Klettern, allerdings nicht Klettern in einer Steilwand, sondern ein Kraxeln von Stein zu Stein. Manchmal geht es nicht recht voran. Visualisierend und tastend findet man einen vermeintlichen Umweg, um vorwärts zu kommen.

 

Ein Trade oder ein Investment ist mit dem Weg auf den Gipfel durchaus vergleichbar. Zunächst einmal gilt es herauszufinden, ob die Großwetterlage überhaupt ein neues Investment zulässt. Ist die Marktbreite schwach oder befinden sich die Märkte in einem Abwärtstrend, dann ist man gut beraten, auf besseres Wetter zu warten. Das Thema Geduld ist sehr wichtig, um die gesteckten Ziele erreichen zu können.

 

Gleichzeitig gilt es, gut vorbereitet zu sein. Der Rucksack muss gepackt werden, ein Schlechtwetterschutz darf nicht fehlen. Mit Zuversicht – nicht aber Überheblichkeit – kann der Marsch durch die anfangs noch grüne Landschaft beginnen. Der Weg schlängelt sich unproblematisch zum Zwischenziel hinauf. Doch der Boden wird rauer, die Anforderungen erhöhen sich. Der richtige Pfad will gefunden werden. Das mühsame Klettern beginnt, das Tempo verlangsamt sich. Die 3.000-Meter-Marke ist überschritten, noch 230 Höhenmeter sind zu bewältigen. Der Weg ist das Ziel, oder doch der Gipfel? Jetzt nur noch der Gipfel.

 

Bergsteiger sagen, dass derjenige über wahre Größe verfügt, der den Mut hat, kurz vor dem Ziel umzukehren, wenn er spürt, dass Kraft und Kondition nicht mehr reichen.


Der Anstieg war weitgehend frei von ausgesetztem, exponierten Gelände. Aber die Kraxelei wollte kein Ende mehr nehmen und wir waren schließlich froh, auf dem Gipfel zu stehen. Der Abstieg war nicht viel leichter, es ging den gleichen Weg wieder retour.

 

Auf dem Rückweg kam es zu einem Zwischenfall. Kurz nachdem wir die Kletterei hinter uns gelassen hatten und dabei waren, auf einem recht steilen Weg abwärts zu gehen, löste sich unter meinem rechten Fuß eine Steinplatte. Sie drehte sich in dem Moment nach unten, in dem ich mich – ins Stolpern geraten – mit der rechten Hand auf dem Boden abstützen wollte. Im gleichen Moment kam die Steinplatte dort auf. Die Platte erwischte meinen rechten Zeigefinger. Es fühlte sich nicht gut an und der Finger sah entsprechend aus. In solchen Momenten sagt man erst mal recht laut „Sch…“. Dann kommt einem in den Sinn, ärztlich abzuklären zu lassen, wie sehr der Finger in Mitleidenschaft gezogen wurde. Das Stichwort heißt körperliche Unversehrtheit. Also liefen wir so schnell wie möglich zur nächstgelegenen Hütte. Der Hüttenwirt rief aus Sicherheitsgründen den Rettungshubschrauber, der mich in kürzester Zeit in die Klink brachte.

 

Das Wort „Stopp Loss“ hat wohl selten so viel Gültigkeit wie in einer solchen Situation. Schnelles Handeln erscheint unerlässlich. In der Klinik stellte sich nach dem Röntgen heraus, dass nichts gebrochen war. Die Riss- und Quetsch-Wunden würden problemlos verheilen. Der Finger wurde sorgfältig verbunden.

 

Meine Frau lag übrigens am Pool und sah den roten, auffälligen Heli über sich hinwegfliegen. Sie dachte sich, der kommt ja aus der Richtung, wo sich ihr Mann und ihr Sohn gerade befinden…

 

Die Lehren, die aus der Vorbereitung und Durchführung einer Bergwanderung für die Aktienmärkte gezogen werden können, sind die folgenden:

 

Stopp Loss beachten

Nicht weiter hoffen, dass es besser wird, sondern an der vorher definierten Marke die Reißleine ziehen. Das gilt nicht nur für die Metapher des Rettungshubschraubers (=Verlustabsicherung), sondern auch, wenn man merkt, dass ein Wert kurz vor dem gesetzten Ziel schwächelt. Es ist ja nicht so, dass es keine neue Gelegenheit geben würde, seine Ziele zu erreichen. Man kann versuchen, andere Gipfel zu besteigen, oder dem gleichen Gipfel nach einiger Zeit nochmals angehen. Der Markt bietet eine nahezu unendliche Zahl von Investmentmöglichkeiten.

 

Einen Plan haben

Man sollte den voraussichtlichen Weg kennen und sein Ziel definieren.

 

Zum richtigen Zeitpunkt einsteigen

Bei schlechtem Wetter ist eine Gipfelbesteigung nicht zu empfehlen. Eine weitreichende negative Großwetterlage kann sogar wochen- oder monatelang jegliche Versuche im Keim ersticken. Man sollte geduldig auf seine Chance warten. Wenn die Sonne morgens um fünf Uhr lacht und die Wettervorhersage einen schönen Tag verspricht, dann kann es losgehen. Geduld ist eine wichtige Tugend. In einem Marktumfeld, in dem die Marktbreite stimmt, das smarte Geld „Buy-the-Dip-Verhalten an den Tag legt, saisonale Aspekte günstig stehen und der bevorzugte Sektor gut performt, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass der beabsichtigte Kauf tatsächlich aufgeht.

 

Unsere aktuelle Einschätzung zu den Märkten: Die Monate September und Oktober gelten als börsentechnisch schwierig. Andererseits lässt sich nicht leugnen, dass sich der S&P 500 in einem Aufwärtstrend befindet, neue Allzeithochs markiert und mit geringem Volumen nach oben driftet.

 

Die Bären hatten schon einige Gelegenheiten, den Markt nach unten zu drücken. Doch das „Buy-the-Dip“-Verhalten funktioniert, das Sentiment der Investment-Banken ist negativ und die Marktbreite stimmt. Die Wirtschaftsdaten sind ok, der US-Dollar ist nicht so stark, wie manche meinen.

 

Es fällt schwer, ein bearishes Umfeld zu skizzieren, solange die Marktdaten so sind, wie sie sich momentan darstellen.

 

Es ist auch nicht gesagt, dass Dow Jones Index oder S&P 500 Ende August/Anfang September unbedingt ein Hoch ausbilden müssen. Die Wahrscheinlichkeit für die Aufwärts-Variante steigt, je positiver die Umfragewerte von Hillary Clinton werden (folgender Chart).

 


 

In der Vergangenheit war es so, dass ein Gewinn der amtsführenden Partei - in diesem Fall der Demokratischen Partei - rückblickend meist einen positiven Aktienmarktverlauf induzierte (schwarzer Pfeil obiger Chart). Der September erwies sich als vergleichsweise unproblematisch.

 

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest

 


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